Mittwoch, 13. Juli 2016

Rezension zu "Und die Menschen verändern sich" Briefe an Markus Wolf 1934 - 2006

Inhalt: Wesenszug der Aufklärers ist das Schweigen. Im Leben davor und danach war Markus Wolf (1923 - 2006) ein vielfach Schreibender – und er erhielt zahllose Briefe. Aus aller Welt. Von Verwandten, Freunden, Mitstreitern, Lesern, Gegnern, respektvollen wie kritischen Beobachtern aller Generationen. Dieses Buch gibt einen Einblick in die Vielfalt dieser Briefe. Eine Erzählung besonderer Art – über ein Leben und ein Jahrhundert. (ND)
Autoren: Wolf, Andrea (Hg.) / Schütt, Hans-Dieter (Hg.)
Format: broschürt 292 Seiten
Verlag: Edition Die Möwe
erschienen: 2016
ISBN: 978-3-00-051782-2
hier zu kaufen: https://www.amazon.de/die-Menschen-ver%C3%A4ndern-sich-1934-2006/dp/3000517820/ref=as_li_ss_tl?s=books&ie=UTF8&qid=1468759530&sr=1-1&keywords=und+die+menschen+ver%C3%A4ndern+sich&linkCode=ll1&tag=httppetrasbue-21&linkId=478681f17177d288e2246ee92073fb1a 

Mein Eindruck
" Markus Wolf - sein Name ist Legende und Lektion. Die Legende betrifft einen der erfolgreichsten Akteure der Auslandsaufklärung in Zeiten des Kalten Krieges, und die Lektion, die sein Leben bietet, erzählt von der Härte und Heftigkeit, mit der das 20. Jahrhundert Biografien formte und auf unerwartete Wege lenkte." (Die Möwe )
Lebenslauf von Markus Wolf: https://www.edition-die-moewe.de/markus-wolf.html 
Das Buch untergliedert sich in 4 Abschnitte :
I Hättest Du je gedacht, dass Du solche Dinge tun kannst? Briefe 1934 bis 1951
II Wir haben Verbündete, aber sind wir wirklich verbunden? Briefe 1968 bis 1989
III Ein majestätischer Schwan landete direkt vor Deinem Haus Briefe 1990 bis 2006
IV Wehmut verband uns, also war nichts verloren Kondolenzbriefe 2006

Außerdem enthält es einen kurzen Lebenslauf von Markus Wolf, eine Auflistung seiner Bücher und ein Verzeichnis der Briefautoren.
I.Kapitel
Die ersten Briefe in ein sowjetisches Pionierlager sind aufmunternde Zeilen seines Vaters Friedrich Wolf, in denen dessen Fürsorge um die Gesundheit seines Sohnes, der väterlichen Unterstützung bei der Bekämpfung des aufkommenden Heimwehs und der Stärkung des Selbstbewußtseins seines Sohnes zum Ausdruck kommt.
Es folgen Briefe aus seiner Jugendzeit- von Freunden, Schulkameraden, seiner ersten großen Liebe.
Beim Lesen bemerkt man, dass trotz der schwierigen Situation - zu Beginn der Machtergreifung Hitlers, emigrierte die Familie Wolf in die Sowjetunion- Markus eine behütete Kindheit und Jugendzeit hatte. In ihrer neuen Heimat fühlte sich Markus wohl und gemeinsam mit seinem Bruder Konrad absolvierte er erfolgreich die Schulzeit.
Als am 22.Juni 1944 Nazideutschland die Sowjetunion überfällt, wird die Hochschule an der Markus studiert in das tausende Kilometer entfernte Kasachstan evakuiert. Viele seiner Freunde gehen an die Front und berichten in ihren Briefen von den Grausamkeiten des Krieges und ihrer Sehnsucht nach einem friedlichen Leben und der Weiterführung ihres Studiums. Auf Vorschlag von Walter Ulbricht wird er selber zum Aufklärer ausgebildet. Sein Bruder Konrad wird zur Roten Armee einberufen. Die Familie wird auseinandergerissen und viel zu selten hat man die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit Briefen. Diese hier abgedruckten Briefe aus der damaligen Zeit geben das Schicksal vieler Jugendliche wieder, die beraubt wurden durch den Krieg, ein normales Leben zu führen und stattdessen in den Schützengraben täglich ihr Leben für die Befreiung ihrer Heimat einsetzten.
Das kommt auch in den Briefen seines Bruders Konrad zum Ausdruck, dass der Krieg ein jäher Wendepunkt in seinem Leben war, herausgerissen aus einem umsorgten Leben- hineingestoßen in einen Vernichtungskrieg. Doch er betont auch, dass er mit Hilfe seiner Kameraden schnell selbstständig geworden ist und seine Aufgaben gut erfüllen konnte.
1944 heiratet er seine große Liebe Emmi - doch es mussten noch einige Monate vergehen, ehe sie beide glücklich zusammen leben konnten.
1945 nach dem Sturz des Hitlerfaschismus kehrte Markus nach Berlin zurück und berichtete ua. als Kommentator beim Berliner Rundfunk von den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen. 1949 wird er Erster Rat der Botschaft der DDR in Moskau.
So endet das erste Kapitel, dass die Jugendzeit Markus Wolfs beinhaltet- die Flucht aus Deutschland und seine Rückkehr als politisch geformter junger Mann, der gewillt ist, den Sozialismus in seiner deutschen Heimat mit all seinen Kräften aufbauen und verteidigen zu helfen.
II.Kapitel
 Im folgenden Kapitel kommen Briefe aus der Zeit, in der 1951 Markus Wolf sichvom jüngsten Mitglied des Außenpolitischen Nachrichtendienstes der DDR  zum berühmtesten deutschen Spionagechef entwickelt.
Aus dieser Zeit gibt es sehr wenige Briefe, da ja kaum von ihm aus ein Briefwechsel möglich war. In wenigen Briefen werden Glückwünsche übermittelt oder Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse aufgefrischt. Man erfährt als Leser kaum etwas vom Privatleben Markus Wolfs.
Mitte der 70iger Jahre war die Entlarvung des DDR Agenten Günther Guillaume, der im Bundeskanzleramt tätig war, das spektakuläre Ereignis. 20 Jahre war er für die Abteilung Aufklärung in der BRD tätig. In Briefen bittet er nach seiner Verurteilung, auch seine Frau erhielt eine Gefängnisstrafe, Markus Wolf darum, sich um seinen Sohn zu kümmern, der in der BRD aufgewachsen ist, nichts von der Tätigkeit seiner Eltern gewußt hat und nun in die DDR übergesiedelt war.
Bewegend fand ich auch den Brief des ehemaligen Kindermädchens der Brüder Wolf, die 1983, ihn nach 50 Jahren an seine schöne Kindheit erinnert.
Viele Briefe erreichen ihn auch, als er nach dem Tode seines Bruders Konrad, dessen Vermächtnis weiterführt und das Buch "Troika" im Frühjahr 1989 veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt hat er sich von seinem aktiven Dienst schon seit 3 Jahren verabschiedet, da er immer mehr am politischen Sinn des Nachrichtendienstes zweifelt und an Mielkes Vorgehen verzweifelt.
Das Buch- das gleichzeitig in der DDR und der BRD veröffentlicht wird, ist die erste DDR -Veröffentlichung über die Verbrechen Stalins.

III: Kapitel
Im letzten Kapitel, das Briefe an ihn enthält, geht es um Gedanken und Eindrücke der Zeit nach der Wende. Bis zur Wiedervereinigung brennt in ihm immer noch die Hoffnung auf einen reformierbaren Sozialismus. Doch nun werden er und alle seine Genossen, die bei der Staatssicherheit tätig waren, als Verbrecher angesehen. Nach einem monatelangen Aufenthalt in Österreich und Moskau, auf Anraten seiner Anwälte, kehrt er zurück und ihm wird der Prozess wegen Landesverrates gemacht und  eine Haftstrafe von 6 Jahren verhängt, die erstmal ausgesetzt wird. 1995 werden alle Urteile gegen MfS Offiziere aufgehoben.
In vielen Briefen wird die Empörung seiner Freunde gegenüber diesem Prozess deutlich. Aber auch die Angst, was aus den Weggefährten wird. Viele stehen nun vor der Frage, wie soll es weitergehen und verstehen nicht, dass sie angeklagt werden, wo sie doch den sozialistischen Staat geschützt haben. Aber es werden auch Stimmen laut, die Markus Wolf vorwerfen, dass er nicht die Mißstände in der DDR gesehen hat bzw. sehen wollte, gleichzeitig wird aber auch die Hoffnung auf einen besseren Sozialismus betont.
Die Briefe verdeutlichen auch die Spannung in dieser Zeit, auf der einen Seite ist man froh die alte Ordnung beseitigt zu haben, aber viele der Genossen und Weggefährten verzweifeln an der Situation, dass der sozialistische deutsche Staat untergegangen ist, für den  sie ihr ganzes Leben gekämpft und gearbeitet haben. Die Hoffnung auf einen reformierten Sozialismus ist mit der Wiedervereinigung gestorben.
Markus Wolf schreibt in seinen letzten Lebensjahren mehrere Bücher. In den Briefen an ihn kommt immer wieder die Erinnerung für eine gerechte Sache gekämpft zu haben und die Hoffnung darauf, dass künftige Generationen es besser machen werden.
Ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen, der mehr über das Leben von Markus Wolf erfahren möchte. Es bringt viele geschichtliche Zusammenhänge zum Vorschein - in der deutschen Geschichte vom Beginn des Faschismus bis nach der Wende.
Es sollte jedem Mahnung und Ansporn sein, sich im Leben für die Erhaltung des Friedens und für ein gerechteres Leben aller Menschen einzusetzen.








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