Mittwoch, 18. Mai 2016

Rezension zu "Die Mutter meiner Mutter" von Sabine Rennefanz



Inhalt:

Von der Autorin des SPIEGEL Bestsellers "Eisenkinder"

Als der Krieg zu Ende war, fing für die vierzehnjährige Anna der Kampf erst an. Ihre Mutter war lange tot, ihr Vater von den Russen verhaftet worden, ihre Heimat verloren. Als Flüchtling machte sie sich mit ihren kleinen Brüdern allein auf den Weg nach Westen und fand in Kosakenberg, einem Dorf in der sowjetischen Besatzungszone, Unterschlupf. Am Hof der Familie Wendler kann sie als Magd härteste körperliche Arbeit leisten. 1949 kehrt Friedrich Stein aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Kosakenberg zurück. Das Deutschland, das er verlassen hat, gibt es nicht mehr: seine Familie ist tot, sein Anwesen von Flüchtlingen besetzt, das Dorf voller Sowjet-Propaganda. Ein gebrochener Mann, zwanzig Jahre älter als Anna. Anna macht die Traurigkeit in seinen Augen vom ersten Tag an Angst.

Autorin: Sabine Rennefanz, 1974 in Beeskow geboren, studierte Politologie in Berlin und Hamburg. Sie arbeitet seit 1993 als Journalistin, seit 2001 als Redakteurin für die Berliner Zeitung, für die sie mehrere Jahre aus London schrieb. Für ihre journalistische Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis und dem Deutschen Reporterpreis. Ihr erstes Buch, "Eisenkinder", erschien 2013 und stand mehrere Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.

Format: Gebundenes Buch mit Schutzumschlag

Verlag:  Luchterhand
erschienen: 14.09.2015 
Seitenanzahl: 253

Mein Eindruck

Mit diesem autobiographischen Roman nimmt die Autorin uns mit auf Spurensuche in ihrer Familiengeschichte. Sie führt zur Aufdeckung eines schrecklichen Familiengeheimnisses, das ihre Mutter nach sechzig Jahren erfahren hat und dass den Großvater und die Großmutter der Autorin betrifft. Es fällt der Autorin schwer zu glauben, dass ihr Großvater etwas Schreckliches getan haben soll, denn für sie ist es ihr Kinderheld, der immer für die Familie da war, der sie vor allen Gefahren des Lebens beschützt hat. Ganz anders hat sie ihre Großmutter erlebt. Sie zeigt nie Gefühle, man sieht sie nie lachen, Berührungen weicht sie aus....Die Großeltern reden sich nie mit Vornamen an. Aber die Großmutter kümmert sich gut um ihre drei Töchter, besonders sorgt sie sich um die Erstgeborene, Sabines Mutter....Diese erzählt in einem Telefonat ihrer Tochter von der schrecklichen Entdeckung - der grausamen Tat, die der Großvater begangen haben soll. Wie konnte es dazu kommen und wieso verschwiegen die Mitwissenden diese Tat über die vielen Jahre. Die Spurensuche führt Sabine auf den schicksalshaften Lebenweg ihrer Großmutter, die eine glückliche Kindheit in einem polnischen Dorf erlebt hat. Als in den letzten Kriegsmonaten russische Soldaten ihren Vater festnahmen, musste diese, 14jährig, mit ihrer Stiefmutter und ihren kleinen Brüdern flüchten. Ihr Weg führte sie in ein ostdeutsches Dorf, wo sie die Stelle als Magd bei einer Bauernfamilie  annahm. Dort begegnete dem Mädchen der Kriegsheimkehrer Friedrich Stein. Obwohl seine Anwesenheit ihr immer Angst machte, heirateten die beiden eines Tages - warum ?
Die Erzählung hat mich sehr berührt. In ihrer schon fast dokumentarischen  Erzählweise bringt die Autorin die psychische Kälte rüber, von der ihre Großmutter in ihrem Leben umgeben war. Man erfährt beim Lesen, wie der Krieg das Leben von Generationen von Menschen beeinflusst und verändert hat. Ich glaube jeder, der das Buch liest, wird darüber nachdenken, ob es nicht sehr wichtig ist, mehr von den Großeltern oder Eltern zu erfahren, die selbst den 2. Weltkrieg oder die Nachkriegszeit erlebt haben. Dieses Wissen würde sicher das Verständnis der jungen Generation gegenüber der älteren verbessern und das Miteinander in den Familien verstärken.
Die Erzählung ist auch Mahnung an alle, dass die Geschichte nicht vergessen werden darf, damit auch die künftigen Generationen daraus lernen können und mit dafür einstehen, Kriege zu verhindern.
Besonders in der heutigen Zeit, wo die Flüchtlingskrise in Europa zum größten Problem geworden ist, ist dieses Buch sehr aktuell.
Mir hat die Erzählweise der Autorin sehr gefallen, mich fesselte die Geschichte und ich konnte kaum erwarten den Ausgang zu erfahren. Persönlich hat mich diese Geschichte sehr berührt, da meine Mutter auch ein Flüchtlingskind aus den Ostgebieten war, die gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem damals 4 Monate alten Bruder im Winter 1945 nach Ostdeutschland kam...
Die verschiedenen Erzählstränge, z.B. aus der Sicht der Enkelin, die Geschichte ihrer Großmutter und ihrer Mutter, sowie deren Schwestern belebten die Handlung.
Sehr gefallen hat mir der Bericht von der gemeinsamen Fahrt in die alte polnische Heimat der Großmutter und deren persönliche Wandlung beim Besuch ihres Elternhauses.
Ein Buch, das berührt, zum Nachdenken anregt. Für alle Leser, die historische autobiographische Erzählungen lieben.

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