Sonntag, 29. Mai 2016

Rezension zu "Aber ich sah ja selbst, das war der Krieg" -Kriegstagebuch und Briefe 1942-1945 von Konrad Wolf

Inhalt : Der Filmregisseur Konrad Wolf (1925-1982) hat uns ein außergewöhnliches Dokument hinterlassen: sein Kriegstagebuch in russischer Sprache. Die drei kleinen engbeschriebenen Notizbücher blieben unversehrt und vermitteln ungewöhnliche Einblicke in Erleben, Denken und Fühlen ihres Verfassers.
 Natürlich dürfen wir diese Aufzeichnungen nicht mit einer literarischen Erwartungshaltung lesen, liegt doch sein eigentlicher Reiz in der Unbekümmertheit des sehr jungen Schreibers und der Wahrhaftigkeit des Erlebten im harten Kriegsalltag zwischen Schlachtenlärm und Zeiten der Stille, in denen der Tod allgegenwärtig ist. Der Krieg beschleunigt den Prozess des Erwachsenwerdens des Jugendlichen, der sich auf die Suche nach sich selbst macht. Die Erlebnisse in der Moskauer Emigration und im Krieg haben den jungen Mann geprägt: er blieb zeitlebens ein überzeugter Kommunist, konsequenter Antifaschist und Freund des russischen Volkes.
Konrad Wolf kannte die unermesslichen Opfer der Völker der Sowjetunion und wusste, wer Deutschland maßgeblich befreit hatte - gehörte er doch selbst zu den Befreiern. Im Frieden setzte sich Konrad Wolf mit den Mitteln der Filmkunst für eine sozial gerechtere Welt und verstand sich ein Leben lang als Brückenbauer zwischen Deutschen und Russen. Das Buch mit der DVD „Ich war neunzehn“erschien zum 90. Geburtstag von Konrad Wolf.
Autor: Regisseur und Präsident derAkademie der Künste der DDR,
geboren 20. Oktober 1925 in Hechingen, Hohenzollernsche Lande
gestorben 7. März 1982 in Berlin
https://www.edition-die-moewe.de/konrad-wolf.html
Taschenbuch: 360 Seiten
Verlag: Edition Die Möwe; Auflage: 1 (15. Oktober 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3000505474
ISBN-13: 978-3000505478
Hier zu kaufen:
https://www.amazon.de/Konrad-Wolf-selbst-Kriegstagebuch-Briefe/dp/3000505474/ref=as_li_ss_tl?ie=UTF8&qid=1468761173&sr=8-1&keywords=Aber+ich+sah+ja+selbst&linkCode=ll1&tag=httppetrasbue-21&linkId=f3e9bbdf0325db0befcd03cf853b42fb
Mein Eindruck:
Dezember 1942- der 17jährige Konrad Wolf, Schüler einer 9.Klasse in einer Moskauer Schule wird zum Dienst in die Sowjetarmee einberufen. Er wird in die Politabteilung der 47. Armee kommandiert und macht sich auf den Weg ans Schwarze Meer. Dort befindet sich der von den Deutschen besetzte Kuban- Brückenkopf. Hier beginnt er am 18.03.1943 seine Aufzeichnungen in seinem Kriegstagebuch. Er schreibt in russisch,denn diese Sprache beherrscht er besser, als seine Vatersprache Deutsch. 1933 ist er mit seinen Eltern, sein Vater war der bekannte Schriftsteller Friedrich Wolf, und seinem Bruder Markus, als 8jähriges Kind aus Nazideutschland in die Sowjetunion emigriert. In Moskau hat er seine Schulzeit bis zur Einberufung verbracht.
Die Tagebuchaufzeichnungen und Briefe, die auch in diesem Buch veröffentlicht sind , schickte er von der Front nach Hause. In ihnen berichtete er von der Hölle des Krieges, von seiner Tätigkeit vor allem als Übersetzer, von Kameradschaft, aber auch Misstrauen ihm als Deutscher gegenüber. Mit Lautsprecherwagen fährt er zu Hauptkampflinien, ruft dort deutsche Soldaten auf, sich zu ergeben und so ihr Leben zu retten. Denn der Krieg hat sich zu dieser Zeit gewendet und die Rote Armee befindet sich auf dem Weg Richtung Berlin. Als junger Mann fällt es ihm schwer, sich an das Frontleben zu gewöhnen, doch er bekommt in aufmunternden Briefen zB. von seinem Vater immer wieder Mut zugesprochen. Es gelingt ihm die Gräuel des Krieges zu überleben, die ihm schon am 3. Tag seines Fronteinsatzes durch einen Bombenangriff der Deutschen begegneten: " ...Links neben der Straße lag ein Soldat mit zerfetztem Leib. Er war tot.....und der Natschalnik sagte an mich gewandt: "Ja, Konrad, das ist der Krieg." - Aber ich sah ja selbst, das war der Krieg...."
An ruhigen Tagen, zwischen den Schlachten, gilt es sich eine Waschgelegenheit zu organisieren, mal ein Brot und Eier zu kaufen oder sich einfach einen Schlafplatz zu suchen...Dann findet Konrad auch die Zeit ein paar Zeilen an seine große Liebe Nina zu schreiben, in der Hoffnung, dass ihre Beziehung die langen Kriegsjahre überlebt.
Am 18.April 1945 endet mitten im Satz das Tagebuch zu einem Zeitpunkt, als er mit dem Lautsprecherwagen an der Oder steht - der Sturm auf Berlin beginnt.
Durch seine Tagebuchaufzeichnungen erlebt man als Leser die Wandlung Konrad Wolfs vom jüngsten Soldaten seiner Einheit zum Mann und Kämpfer um die gerechteste Sache im Leben- den Frieden. Der Krieg ist für ihn zur Schule des Lebens geworden.
Ich war von den Aufzeichnungen gefesselt und habe mit dem Autor mitgebangt, bei seinem täglichen Kampf ums Überleben. Dieses sinnlose Sterben auf den Schlachtfeldern des damaligen Krieges muss für alle Menschen Mahnung sein, so etwas nie wieder zuzulassen. Gerade auch in der heutigen Zeit , mit Flüchtlingskrise in Europa, Aufrüstung der amerikanischen Streitkräfte entlang des Balkans, Naziaufmärsche in europäischen Städten ist dieses Buch aktueller denn je.
In einem Treatment "Heimkehr 45" - beginnt Konrad Wolf 25 Jahre nach dem letzten Tagebucheintrag aus dem Gedächtnis weitere Erlebnisse der letzten Kriegstage aufzuschreiben. Diese bilden die Grundlage für seinen Film "Ich war neunzehn" - der auf der beigelegten DVD mit im Buch enthalten ist.
Im Buch sind auch Fotos abgedruckt, die während des Krieges und bei den Dreharbeiten zum Film aufgenommen wurden.
Ergänzt werden die Aufzeichnungen ua. durch Protokolle von Vernehmungen deutscher Soldaten, die Konrad Wolf geführt hat, Flugblätter für deutsche Soldaten, einer Karte, die den Weg von Konrad Wolf im Großen Vaterländischen Krieg aufzeigt.
Sehr gut ist auch das Verzeichnis von Namen, Sachbegriffen und historischen Ereignissen.
Ich wünsche dem Buch viele interessierte Leser, vor allem auch Jugendliche, die damit ihre Geschichtskenntnise vertiefen können und durch diese geschilderten Erlebnisse eines Jugendlichen im 2. Weltkrieg erkennen, wie grausam Kriege sind und sich dann dafür einsetzen werden, dass vom deutschen Boden kein Krieg mehr ausgehen wird.



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